„Leck mich fett!“, was für ein Abriss war das denn?!
Es war Samstag und die Sonne war auf unserer Seite. Auf dem Open-Air-Gelände der Bürgerweide fanden sich schon am frühen Morgen diverse Wohnmobile ein, die sich Plätze die erste Reihe sicherten, mit Stühlen auf dem Dach, um das Konzert auch von außen genießen zu können.
Bremen ist immer eine Reise wert, vor allem wenn man die Gelegenheit wahrnimmt, sich die Innenstadt anzusehen. Hier waren bereits, überall wohin man blickt, Fans der Rockband Böhse Onkelz zu sehen und aufgrund der vielfältigen Gesänge auch überhaupt nicht zu überhören. Der Bremer Bahnhof wurde lautstark von feierwütigen Fanz eingenommen, die am Abend endlich ihre Idole wiedersehen wollten. Bei Flammkuchen an der Schlachte oder Dosenbier an der Weser wurde die Stadt von den „Nichten und Neffen“ der Onkelz belagert. Eine Augenweide war es, zu sehen, wie sich die Anhänger der „bösen“ Onkelz gemeinsam überwiegend schwarz gekleidet, das Glockenspiel an der Böttcherstraße anhörten.
Die „La Familia“, wie sich die Onkelzfamilie nennt, hat sich komplett eingefunden.
Auf dem Konzertgelände stieg die Vorfreude der aus vielen Ecken des Landes angereisten Menschen ins Unermessliche.
Pünktlich um 20:30 beginnt die Show mit dem instrumentalen Intro „28“, welches für die damalige Hausnummer von Sänger Kevin Russell in Frankfurt steht, in der wohl legendäre und ausufernde Partys stattgefunden haben sollen. Das Intro geht über in „Guten Tag“. Vor dem folgenden Song begrüßte Stephan Weidner, seines Zeichens Bassist, Songwriter und Kopf der Band, seine Gefolgschaft mit der ironischen Willkommensrede: „Ach, ihr seid also alle die ganzen Rechten?“, was vom Bremer Publikum mit lauten „Nazis raus“ – Chören quittiert wurde. Vorausgegangen war eine wochenlange Serie an medialer Berichterstattung sowie Boykottversuchen gegen den Auftritt der Rockband und gegen Rechtsextremismus in der Bremer Lokalpresse, mit einer Intensität, wie sie vermutlich seit den 90er Jahren nicht stattgefunden hat.
Mit einer breit gefächerten Auswahl an Songs, die selten und schon lange nicht mehr live gespielten wurden, u.a. „Zieh mit den Wölfen“ aus dem Jahr 1991. „Die Freiheit ist eines den wichtigsten Dinge im Leben, die wir uns bewahren sollten, in unserer scheiß Gesellschaft“, kommentiert Stephan Weidner. „Wir schreiben Geschichte“ (1992), das noch nie live gespielt wurde. Gefolgt vom Lied „Scheissegal“, das zuletzt 1996 auf der Setlist stand, oder „Du kannst alles haben“, das seit 2000 nicht mehr gerockt wurde.
Emotional wurde es vor dem Song „H“, denn jeder treue Anhänger der Band weiß, dass Sänger Kevin heroinanhängig war und den Weg aus dem Sumpf des weißen Giftes geschafft hat. Diese Erlebnisse und Schilderungen dieser düsteren Zeit hatte der blonde Hüne kürzlich in seiner eigenen Autobiografie sehr lebhaft der Öffentlichkeit offenbart. „Es gibt einen Weg zurück“, attestiert Stephan Weidner diesen Wandel zu einem cleanen Lebensweg. Die Masse feierte die Aussage und rief lautstark „Kevin, Kevin, Kevin“.
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Mit den Klassikern „Gehasst, verdammt, vergöttert“ oder „So sind wir“ wurde die Menge ordentlich eingeheizt. Und natürlich durfte in der Songauswahl auch der mittlerweile in Stadien allgegenwärtige Party-Kracher „MEXICO“ nicht fehlen. Gekrönt wurde der Song mit einem imposanten Feuerwerk, das sich über dem Himmel Bremens entfachte. Ebenso durften im Repertoire auch Titel wie „Nichts ist für die Ewigkeit“, „Terpentin“ oder „Auf gute Freunde“ nicht fehlen. Insbesondere „Terpentin“ erinnerte kurzzeitig an die Feuershow auf einem Rammstein-Konzert, die der ersten Reihen wohl, zusätzlich, ordentlich „einheizte“. Mit dem letzten Song „Erinnerung“, den wohl die meisten Fans aus ihrer Jungend verbinden, lagen sich viele Männer und Frauen in den Armen und somit ging dieser gigantische Abend zu Ende.
Hervorzuheben und nicht zu vergessen ist an dieser Stelle Jerry P. Appelt mit seiner grandiosen Lightshow!
Und am Ende bleibt das Gefühl, dass auch dieses Konzert einfach viel zu kurz war und ewig hätte so weitergehen können. Mit einer Setlist von 28 Songs, zweieinhalb Stunden Vollgas, Balsam für Herz und Seele, verließen Nichten und Neffen friedlich und ohne nennenswerte Vorfälle das Festgelände. Eine Masse an Menschen bewegte sich wie nach einem Spielsieg eines Bundesligaspiels, und auch schon nach knapp 1,5 Stunden geordnetem Abreisechaos verließ auch die Autoschlange das Festgelände auf der Bürgerweide in Bremen.
Fazit: Aus meiner persönlichen Sicht, liebe Neffen und Nichten, ist die Fankultur und das Miteinander auf Onkelz-Konzerten einzigartig. Hier wird „La Familia“ nicht nur geschrieben, sondern wirklich gelebt.
Wir wünschen allen Konzertbesuchern dieser Tour eine tolle Zeit, saugt es auf, speichert es in euch ab, genießt es und gebt aufeinander acht!
Konzertbericht von Simone Knoop mit Bildern von Tilo Klein
BÖHSE ONKELZ Songliste – Bremen am 17.08. 2024
- Intro „28“
- Guten Tag
- Finde die Wahrheit
- Scheißegal
- Gehasst, verdammt, vergöttert
- Du kannst alles haben
- Danke für nichts
- Ich bin wie ich bin
- Zu nah an der Wahrheit
- Kuchen und Bier
- So sind wir
- Das Problem bist du
- Stunde des Siegers
- Gestern war heute noch morgen
- Wir schreiben Geschichte
- Zieh mit den Wölfen
- Ohne mich
- C´la vie
- Bin ich nur glücklich, wenn es schmerzt
- „H“
- Angst ist nur ein Gefühl
- Nichts ist für die Ewigkeit
- Terpentin
- Wir ham´noch lange nicht genug
- Auf gute Freunde
- Das Geheimnis meiner Kraft
- Mexico
- Erinnerung