40 Jahre Onkelz – Kinder wie die Zeit vergeht. Da könnte man meinen, die Zeiten von Sturm und Drang, sind bei den vier Jungs aus Frankfurt längst vorbei. Im Gegenteil, die Frankfurter Jungs sind im Jahr 2020 in musikalischer Topform und ziehen auch nach vierzig Jahren, erneut mit wehenden Fahnen und brennenden Bengalos in die Schlacht. 13 Lieder, auf die die Deutschrock Fangemeinde gewartet hat.
Wenn es Songwriter Stephan Weidner beim Schreiben eines Rocksongs schafft, das Wort „Kuchen“ in einem Atemzug mit „Bier“ zu nennen, dann brauchen wir uns noch lange keine Gedanken zu machen, dass hier zum Kaffeeklatsch eingeladen wird. Was die Band auf dieser Scheibe abliefert, sind geile Riffs, schwere Sounds und typische Onkelz-Texte.
Es gibt Platten, auf deren Veröffentlichung man lange hin gefiebert und die Kalenderblätter abreißt, bis der Tag der Veröffentlichung endlich gekommen ist. Die Chancen stehen nahezu 50:50, ob die Songs zünden und ins Herz geschlossen werden oder in der Tonne landen. Vier Jahre nach dem Comeback-Album „Memento“, wird am 28. Februar die nächste Rakete gezündet.
„Auf unseren Wunsch, wurde der Name nicht geändert“
Um dem Jubiläum 40 Jahren Onkelz gebührend Ausdruck zu verleihen, hat man nicht nur auf einen Albumtitel verzichtet, sondern auch einen epischen Einstieg gewählt. Schauspieler und Synchronsprecher Ben Becker spricht mit markanter Stimme den Prolog und heizt die Stimmung für den Jubiläumssong „Kuchen und Bier“ ein.
Aber bleiben wir noch eine Moment bei der Ansprache, in der mit nur 5 Sätzen gleich unzählige Erinnerungen an die 90er Jahre durch den Kopf schießen. Viel Lärm und öffentliche Erregung um die politische Einordnung der Band. Immer wiederkehrende Überschriften und niederschmetternde Pressetexte, die dem Ansehen der Band schaden, aber gleichermaßen den Zusammenhalt der Onkelz und ihrer Fangemeinde stärken.
14000 Tage Liebe und Kabale
Die Onkelz erklären sich, distanzieren sich und engagieren sich zu dieser Zeitpunkt schon in vielseitiger Form gegen Rechts. Für Andere wiederum steht die Band in den 90er Jahren längst für einen positiven Wandel, für Bewusstwerdung und den Blick nach Vorne. Doch werden sie auch verstanden? Eine zweite Chance sieht leider anders aus. Kritiker fordern gebetsmühlenartig die Namensänderung der Onkelz, um den Wandel zu dokumentieren.
40 Jahre später, noch immer der selbe Bandname, noch immer dieselben Diskussionen, dieselben Zitate in Zeitungsartikeln. Copy & Paste statt direkter Dialog. Die Konsequenz der Band: keine Interviews und Erklärungen mehr an die Presse. Frei nach Karl Valentin: „Noch nicht mal ignorieren!“
Ben Becker bringt es in seinem Prolog auf den Punkt:
“Die meißten Menschen auf der Welt glauben nicht die Wahrheit, sondern lieber das von dem sie wünschten, dass es die Wahrheit wäre.“
Darauf hin, schlägt Gonzo in die Gitarrensaiten und Pe stampfend auf das Schlagzeug ein.
Gewitter im Kopf und mit Flammen im Herz – das war ’80 im Herbst
„Kuchen und Bier“ ist genau das, was man von den vier Frankfurtern erwartet. Mächtig dicke Hose und jede Menge Pathos. Der Song macht endlos Spaß und ist gemacht aus dem Zauber, der die Band ausmacht, die perfekte Symbiose aus Krach und Poesie.
Mit Ehrfurcht und Respekt widmen sich die Frankfurter erneut der Thematik Tod und Sterblichkeit. „Ein Hoch auf die Toten“ ist zwar kein „Nur die besten sterben jung“ bewegt sich aber zumindest auf dessen Fersen. „Der Tot kommt Freunde und Familien holen, die besten hat er schon gestohlen“. Keinen anderen Musikern, lassen sich Texte dieser Art abnehmen, wenn man die Historie der Onkelz kennt. „Gleiches Recht für alle, jeder kommt mal dran“ – In diesem Kontext trifft auch diese Zeile mitten ins Schwarze.
Interessant jedoch, dass der Tod nicht als Ende des Lebens verstanden wird.
So äußert sich Gonzo im Interview mit uns im Pressure Magazine, dass man den Text auch esoterisch sehen könne. Insbesondere, wenn man den Tod als Übergang in eine andere Daseinsform betrachte. Es soll sich jeder selbst seinen Ansatz zu dem Song suchen.
Bleiben wir bei Gitarrist Gonzo. Es fällt positiv auf, dass seine Leistung und Präsenz enorm zugenommen hat und er sich seit „Memento“ mit seinem Gitarrenspiel deutlich stärker in den Vordergrund tritt. Gleichermaßen ist auch die gesangliche Intonation des Sängers Kevin Russell facettenreicher geworden und so gut wie nie zu vor auf einem Onkelz-Album.
Im Titel „Du hasst mich, ich mag das“ stellt sich die Frage: „Wer ist Feind, wer ist Ratte?“. Eine fiese Uptempo-Nummer mit einem wütend-schreienden Kevin Russell. Die Vollgas-Rock-Riffs werden für jedoch für mein empfinden zu häufig unterbrochen und entschleunigt. Der Song endet mit Stadion-Chören, die sicher auch gut live funktionieren werden.
Und dann kam… „Wie aus der Sage“ mit einem epischen Gänsehautmoment, opulenten Chöre, offenem Gitarrensound und verspielten Bassläufen. Sehr fette produziert! Stilistisch erinnert der Sound stark an die Alben der 2000er Jahre, vergleichbar mit „Schutzgeist der Scheiße“.
Die Zeilen „Für den Weg ins Paradies musst du dein Leben riskiert“ und „Kämpfen macht dich stark, nicht das gewinnen!“ sind für mich die Favoriten dieser Onkelz-Platte.
Der Song „Saufen ist wie weinen“ startet entspannt und etwas verrucht mit einem blueslastigen Gitarrensound, bei dem man zunächst den Eindruck erhält, dass die Onkelz erneut die Toleranz ihre Fans á la „Je t’aime“ testen wollen. Die Nummer schlägt sehr rasch in eine (Anti-) Sauf-Hymne um und der Zusammenhang erschließt sich dann. Gewitter im Kopf am Tag danach, mit dem sehnlichsten Wunsch nach Ruhe und Idylle.
„Es ist so laut in meinem Kopf. So laut in den Gedanken. Kann die ganze Welt bitte mal die Fresse halten!!“ fordert Sänger Kevin, der bei seiner bewegten Vergangenheit sicherlich aus Erfahrung spricht. Unser Ratschlag zur schnellen Genesung: Die Boxen ordentlich aufdrehen, um die Synapsen durchzublasen.
„Der Hund, den keiner will“ ist eine eher überraschendes Soundgewand, das ebenfalls mit Blues-Sound und Reggae-Ausflügen daherkommt. Der Hall-Effekt in Kevins Stimme erinnert an die experimentelle Phase, die zur Zeiten der „Dopamin“ etwas zu überstrapaziert wurde, aber auf diesem Album toll zur Geltung kommt. Inhaltlich geht es um innere Zerrissenheit und dem Ziel, eine Depression in positive Energie zu verwandeln. So gut dieser Song auch klingt, man hätte inhaltlich mehr daraus machen können, denn überwiegend wird das Stück, mantraartig mit dem zu häufig wiederkehrenden Refrain gefüllt.
Einen Mutmacher gibt es in Form des Liedes „Flügel für dich“. Der Song handelt davon das Leben zu leben und lieben zu lernen. Insbesondere, den Kopf nicht schon nach der ersten Niederlage in den Sand zu stecken. Und genau hier zündet das Album für mein Empfinden.
Der Song versprüht Power in jeder Silbe und genau hier liegen die Stärken des Songwriters Stephan Weidner alias Der W – Spätestens seit seinen Mexiko-Reisen, auf den Spuren Castanedas, haben sich die Texte der Onkelz mit Esoterik und Sinnsuche befasst: „Such den Menschen, der du bist, auch wenn Gott nicht zu dir spricht“.
Weidnerische Aphorismen und Sonettenfabrikatur
„Flügel für dich“ kommt einer musikalischen Interpretation des Paulo Coelho Buches „Krieger des Lichts“ gleich. Demnach sind Glaube, liebe und Hoffnung die Rüstung des Kriegers des Lichts. Die Furcht ist dein Gegner und ein positiver Gedanke kann viel Gutes bewirken. Die endgültige Interpretation ist jedoch jedem selbst überlassen. Also, zieh den Kopf aus dem Arsch und einfach mal machen!!
„Wege entstehen dadurch, das man sie geht.“
Neben den bisher vorgestellten Songs, gibt es auch „Wer schön sein will, muss lachen“ und „Rennt“, die sich wie Kaugummi ziehen und hätte in komprimierterer Form vielleicht noch besser gezündet.
„In der Hölle regieren oder im Himmel servieren?“
Wer das Durchhören bis hier her ohne Gänsehautmomenten geschafft hat, den trifft es spätestens bei „Die Erinnerung tanzt in meinem Kopf“ mit der vollen Emotions-Keule: „Wenn’s die Onkelz nicht mehr gibt, es bleibt dieses Lied!“.
Womit wir beim Casus knacksus sind: denn bei all dieser 40-Jahre-Themengebung, wird einem eines Bewusst, das dieses Album auch das letzte Studioalbum sein könnte. Der retrospektive Rückblick in den Herbst 1980, bis zu den großen Bühnen, weckt den Eindruck, man wolle das Buch mit einem symbolischen Akt schließen. An Theatralik und Melancholie ist dieser Song nicht zu übertreffen und somit kann jetzt kommen was wolle, mit einem Abschiedssong für alle Eventualitäten sind die Onkelz jetzt gerüstet. Und es ist ja auch nicht so, als wüsste man nicht, wie sich das Ende der Onkelz anfühlt. 😉
Update vom 6.3.: Das Album erreichte eine Woche nach Veröffentlichung das Siegertreppchen der Deutschen Musik-Charts seit Rammstein („Rammstein“, veröffentlicht im Mai 2019). Lediglich elf „Nummer-1-Alben“ gab es in der Geschichte der Offiziellen Deutschen Charts. Diese haben die Künstler, die Amigos, Andrea Berg, die Toten Hosen und die Beatles erreicht. Seit heute gehören auch die Böhsen Onkelz in diesen Kreis dazu.
Album Review von Marcus
Wer schreibt denn diesen Mist! Ich habe zweimal Anlauf genommen um mir das neue Album anzuhören. Ich musste meinen Brechreiz unterbrechen. Den haben sie doch die Eier abgeschnitten! Dieses Geheule ist nicht mehr auszuhalten!!! Habe mir dann aus meinem Plattenschrank die Lügenmarsch rausgeholt und aufgelegt. Das ist geil. Da bekommt man Lust sich in seinen Pickup zu setzen und das nächste Stopp Schild Platt zu machen!
Liebe Önkelchen, bitte hört auf, bevor ihr es noch schlimmer macht!
Hey George, als Autor des Reviews, würde ich gerne besser verstehen, worauf genau du anspielst. Denn andere Interviews zum Album habe ich noch nicht gelesen und grundsätzlich übernehmen wir keine Interviews oder Textauszüge aus urheberrechtlichen Gründen. Dass man Songtexte verwendet, um einen Eindruck von den neuen Sonsg zu erhalten, empfinde ich als normal und wir von Lesern erwartet. Vielleicht spielst Du auf das Statement von Gonzo an, wie das Album klingen sollte? Die Quelle davon sind „wir“ selbst, da ich das Gespräch mit Gonzo geführt habe. Schreib mich gerne direkt an: marcus@pressuremagazine.de
Echt?
Ich finde den Artikel ziemlich lahm… Abgesehen von den etwas kritischeren Zeilen sind fast alle Aussagen gefühlt irgendwelche Versatzstücke aus anderen Interviews oder Pressetexten.
Interessanter und guter Artikel, sollte aber noch mal überarbeitet werden 🙂