Rawside präsentiert ihr neues Album “MENSCHENFRESSER”, das über Fettfleck Records veröffentlicht wird, fünf Jahre nach ihrem letzten Werk “Your Life Gets Crushed”. Die Hardcore-Punks aus Coburg sind zurück und stärker als je zuvor. Mit über 30 Jahren Bandgeschichte sind Rawside ein unverzichtbarer Bestandteil der deutschen Punkszene.

Das Album enthält ein einführendes Intro und 13 kraftvolle Songs, die zusammen eine Spieldauer von 45 Minuten und 41 Sekunden ergeben.

Der erste Track “Chaos” eröffnet das Album mit einer eindringlichen Warnung vor dem Chaos. Das Intro legt den Grundstein für die intensive Atmosphäre des gesamten Albums. Die gesprochenen Worte stimmen die Hörer auf die kommende Erfahrung ein.

Das Chaos beginnt mit Track 2: “Der Blitz”. Dieser Song spricht vermutlich vielen aus der Seele, da er sich mit jenen befasst, die nichts als Nonsens von sich geben. In einer Zeit, die von einer Flut an Verschwörungstheorien während der Pandemie geprägt ist, erklingen die einprägsamen Zeilen: “Du laberst doch nur Scheiße…” – treffender könnte es kaum sein.

Mit majestätischer Präsenz betritt Track 3 die Bühne, der titelgebende Song “Menschenfresser”. Doch dieser Song handelt nicht von blutrünstigen Kannibalen, sondern von einer Gesellschaft, die sich in ihrem eigenen Egoismus verliert. Es ist eine kritische Hymne, die uns dazu anregt, über die heutige Zeit und die rücksichtslose Ellenbogengesellschaft nachzudenken. Die Worte sind wie ein Weckruf, der uns daran erinnert, dass die Wahrheit oft ungeschminkt und unbequem ist, doch gleichzeitig die Macht besitzt, uns zu transformieren.

Mit Track 4 “Gammaburst” präsentiert sich die Band mit einem einführenden gesprochenen Wort-Intro, das beinahe zahm, jedoch gleichzeitig bedrohlich wirkt. Dieses kurze Intro bildet den perfekten Kontrast zum explosiven Start von Schlagzeug und Gitarre, wenn die Band richtig Fahrt aufnimmt. Der Song selbst ist geprägt von Aggression, ganz im Einklang mit der Essenz des Punks, wie man sie sich wünscht. Erwähnenswert ist insbesondere die fantastische Gitarrenarbeit im Hintergrund, die den Song auf beeindruckende Weise ausklingen lässt.

Track 5, “Klipp Klapp”, hüllt sich in eine ganz eigene Atmosphäre. Düster und bedrohlich zugleich entfaltet er eine schnelllebige und energiegeladene Dynamik. Die Kombination aus Tempo und düsterer Stimmung macht diesen Track zu einem mitreißenden Erlebnis, das den Hörer in seinen Bann zieht.

Track 6 trägt den kühnen Titel “Verboten in Deutschland”. Doch lasst euch nicht täuschen – dieser Titel ist eher eine ironische Anspielung als eine tatsächliche Verbotsandrohung. Es mag zwar vorstellbar sein, dass ein Song verboten wird, aber gute Punksongs sollten das Potenzial dazu haben, denn sie sind dazu da, provokativ und kritisch zu sein. Und in dieser Hinsicht erfüllt die Band definitiv ihre Rolle.

Track 7, ‚”Take The Grown”, betritt die Bühne mit englischem Text, der eine Botschaft des Empowerment und des Handelns trägt. Ein Song, der dazu ermutigt, dass die Stummen ihre Stimmen erheben und die Schreihälse dazu bringt, zuzuhören. Es ist ein kraftvoller Appell, der dazu aufruft, Verantwortung zu übernehmen und die eigenen Worte mit Bedacht zu wählen.

Track 8, “When The Ship Goes Down”, präsentiert sich ebenfalls mit englischem Text. Hier lädt die Band insbesondere diejenigen ein, die sich schwer vorstellen können, was eine Flucht bedeutet, zu einer Reise auf einem sinkenden Schiff in die tiefen Gewässer ein. Eine kraftvolle Botschaft, die die Band gekonnt vermittelt, denn insbesondere in der heutigen Zeit dürften Kriegsflüchtlinge wieder ein weitverbreitetes Thema sein.

Track 9, “Zu Grabe Getragen”, beginnt mit einem einladenden Intro, das schnell in einen schnellen und punkigen Rhythmus übergeht. Doch der Einstieg überrascht, da er eine neue Facette zeigt. Die geschickt platzierten Breaks im Song fallen besonders auf. Thematisch dreht sich alles um den Tod – ein ernstes und trauriges Thema, das manchmal unerwartet und selbstbestimmt eintritt. Ein rebellischer Aufruf an uns alle, genauer hinzuschauen, was um uns herum geschieht und auch auf andere zu achten. Besonders hervorzuheben ist die Gitarrenarbeit und die Stimme des Sängers, der in diesem Song noch einmal eine zusätzliche Schippe drauflegt.

Track 10, “Dreh Dich Mal Um”, ist eine kritische Auseinandersetzung mit unserem Wertesystem. Es wird deutlich, dass es nicht mehr um Menschlichkeit, sondern nur noch um Leistung und Erfolg geht. Rawside tritt mutig hervor, um diese Thematik anzusprechen und offen auszusprechen.

Track 11, “Sinner”, erinnert uns daran, dass neben den politischen Gräueltaten auf der Welt auch die Rolle von Religion und Kirche bei der Schaffung von ‚Sündern‘ nicht außer Acht gelassen werden sollte.

Track 12, “Surprise Surprise”, ist ein Cover-Song der Band „Cop Shoot Cop„, der jedoch in deutscher Sprache gesungen wird und den unverwechselbaren Charakter von Rawside trägt. Diese unerwartete Überraschung auf dem Album zeugt von der Vielseitigkeit der Band.

Track 13, ‚”Medioten”‘, richtet seine Kritik an die Medien und sozialen Plattformen. Während diese nicht grundsätzlich negativ sind, können sie bei falscher Nutzung auch negative Auswirkungen haben. Rawside nimmt sich dieser wichtigen Thematik an und vermittelt ihre Botschaft auf bemerkenswerte Weise.

Mit Track 14, „Auf der Flucht„, erreichen wir das finale Kapitel des Albums, das mit ernsten und nachdenklichen Tönen aufwartet. Der Titel
selbst vermittelt bereits eine tiefgreifende Botschaft. Es ist ein abschließender Akt, der die Ernsthaftigkeit und Relevanz der Themen unterstreicht, die Rawside auf dem gesamten Album behandelt haben. „Auf der Flucht“ ist somit nicht nur ein Song, sondern ein kraftvoller Abschluss, der dazu einlädt, über die Welt um uns herum nachzudenken und sich für eine bessere Zukunft einzusetzen.

Fazit:
Trotz 30 Jahren im Geschäft zeigen Rawside keinerlei Ermüdungserscheinungen und sind nach wie vor voller Energie. Sie scheuen sich nicht davor, Klartext zu reden, und lassen sich nicht den Mund verbieten. Das Album liefert den erwarteten Punk-Sound und enttäuscht nicht. Es ist direkt, ungefiltert, kritisch und wild – alles, was man von einem Punkalbum erwartet. „Menschenfresser“ spricht besonders diejenigen an, die schnelle Rhythmen mögen und diejenigen, die bereit sind, über den Tellerrand hinauszuschauen und auch mal kritisch zu hinterfragen. Und das sollten wir alle tun.

Abschließend sei erwähnt, dass Rawside ihr neues Album im Kohlekellerstudio in der Nähe von Darmstadt aufgenommen haben, mit Unterstützung von Kai Stahlenberg (bekannt für seine Arbeit mit Bands wie Powerwolf, Hämatom und Japanische Kampfhörspiele). Nach den Veröffentlichungen ihrer beiden vorherigen Alben „Widerstand“ (2010) und „Your Life Gets Crushed“ (2019) haben die Musiker aus Coburg ihr altes Label hinter sich gelassen und sind zu Fettfleck Records gewechselt, dem Label von Loikaemie.

Album Review von Mia Lada-Klein

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