Die Band Boötes Void aus Würzburg ist für ihre auffälligen Masken auf der Bühne bekannt und zeichnet sich durch ihre musikalische Vielseitigkeit sowie tiefsinnige Inhalte aus. In unserem Interview mit Botöes, Sänger und Frontmann, werden wir ihre künstlerische Vision, den kritischen Ausdruck von Black Metal in der Gesellschaft und die Integration persönlicher Erfahrungen in ihre Musik diskutieren. Erfahrt mehr über die tiefgründige Welt von Boötes Void.
Black Metal wird manchmal als eine Form des Protests oder der Rebellion interpretiert. Seht ihr eure Musik als kritischen Ausdruck gegenüber bestimmten Aspekten der Gesellschaft oder der Welt?
Nun gut, dies ist sehr weit definierbar. Sicherlich ist Black Metal in seinem Ursprung eine Form der Rebellion gewesen, die Themen wie Selbstzerstörung, Misanthropie und eine allumfassende „F*** „alles“-Attitüde umfasste, ähnlich den Punks der 70er und 80er Jahre. Dies war ja auch eine Rebellion.
Bei Black Metal kommt, neben der Ablehnung von allem auch noch die Verneinung und Verurteilung jeglicher Religionen hinzu, welche in der normalen Gesellschaft noch ein Stützpfeiler sein können, für Menschen die trotzdem schon ’no future‘ leben. Dieser Ausdruck des Widerstands gegenüber der Gesellschaft und ihren Normen ist charakteristisch für den Black Metal.
Allerdings könnte man argumentieren, dass dieser Ansatz in der heutigen Zeit, in der komplexe Themen nicht mehr so einfach zusammengefasst werden können, etwas veraltet wirkt. Dennoch bleibt der Black Metal ein Medium, das gesellschaftliche Kritik ausdrückt, sowohl in seiner traditionellen Form als auch in unserer eigenen künstlerischen Arbeit. Aber auch das ist wieder weit ausgelegt. Denn jede Black Metal Band, die nur über die kraftspendende Natur singt, drückt damit ja Ablehnung und Kritik gegenüber allen aus, die diese zerstören.
Bei Religion ist da der Faktor schon höher, denke ich, wenn man betrachtet, welchen Einfluss Religion in dieser Welt noch hat und wozu sie Menschen treibt. Egal ob Krieg, Suizid oder Menschenwürde. All das schwingt natürlich in der Verachtung, die gegenüber Religion ausgesprochen wird mit und ist weitreichender.
Mit dieser Religionsthematik beschäftigen wir uns jedoch nicht in der Musik, auch weil der Übergang von Glaube, Extremismus und Politik immer übergreifend ist, wir uns aber nicht auf dieser Ebene mit menschengeschaffenen Problemen auseinandersetzen wollen. Natürlich im weitestgehenden Sinne, mit einer Teildefinition wird es immer Überschneidungen geben, aber das ist nicht der Sinn dahinter. Wir blicken jedoch etwas spiritueller und/oder philosophischer auf diese Fragen und sehen dadurch eher die Entstehung im menschlichen Gehirn, als in irgendeiner Gruppe oder Gesellschaft. Dies ist immer nur das Resultat, das daraus entsteht. Deswegen würde ich sagen, Kritik äußern wir so auf jeden Fall mitunter auch, aber rebellieren tun wir nicht. Und Protest ist sowieso eigentlich alles, was nicht nach der gesellschaftlichen „Norm“ läuft, was uns somit zu Protestlern macht.
Wie seht ihr die allgemeine Rolle von Kunst, insbesondere von Black Metal, bei der kritischen Auseinandersetzung mit sozialen Normen oder politischen Strukturen?
Black Metal hat die verschiedensten Rollen der Kritik bei beidem übernommen. Die einen, die das ganze extremistisch zu Propagandazwecken aufarbeiten (darüber wollen wir aber nicht reden, da dies fern von unserer Welt ist) und denjenigen, die gezielte Kritik an menschlichem Verhalten oder Streben äußern.
Zweiteres ist schon immer Bestandteil der gesamten Kunsthistorie gewesen und gerade die Kunst gibt einem neben der eigenen Verwirklichung die Möglichkeit, Kritik zu äußern, selbst wenn diese dem ein oder anderen etwas unter die Gürtellinie gehen mag. Kunst bietet diesen Freiraum, durch den der Normalbürger auch in schärferen Systemen, einmal straffrei seine Meinung und Kritik zu gewissen Dingen äußern darf. Dies wird auch immer so sein, denn Kunst bietet zum Glück diese Plattform. Das gilt jedoch auch im Allgemeinen, egal ob Black Metal, Theater, Malerei, Literatur oder sonst eine Form.
Die Masken auf der Bühne könnten als symbolische Verhüllung oder als kritisches Statement interpretiert werden. Wie wollt ihr, dass diese visuelle Entscheidung von eurem Publikum wahrgenommen wird?
Es war nie der große Plan dahinter. Wir wollten einfach eine möglichst gute Darstellung unserer Klangkunst umsetzen und arbeiten auch stetig weiter an optischen Gestaltungen. Genau wie die Musik ist das bei uns ein fließendes Konzept. Gründe für unsere Masken sind vielseitig. Zum einen, ich sehe es zu oft bei anderen Bands, die sich bereits 2 Stunden vor ihrem Auftritt gegenseitig schminken müssen. Das ist einfach unbrauchbar und nach der Show muss man den ganzen Schlonz auch wieder erst einmal abwaschen. Egal welcher Black Metaller etwas anderes sagt, NIEMAND hat Spaß daran.
Kritisches Statement? Seh ich persönlich eigentlich keines in den Masken, außer vielleicht bei meinem neuen zukünftigen Outfit, das sicherlich wieder einerseits okkult, andererseits sehr priesterhaft sein wird und auf Aberglaube, Religion und den dahinter stehenden Wahn hinweist. Hauptsächlich ist es aber die Umsetzung unserer Kunst und deren Auslebung. Mit dem Outfit sind wir alle fiktive Kunstcharaktere, die sich so ausleben können, wie sie wollen, weit weg von unseren Charakteren, was wir sehr wichtig finden. Verhüllung hat natürlich immer etwas Mystisches und trägt der Atmosphäre von allem bei. Was hier aber noch wichtiger ist, es ist ein Gegenzeichen, gegen den im Black Metal so groß gewordenen Personenkult. Furchtbar, wenn ihr mich fragt und eine ganz negative Entwicklung für mich. Dadurch werden Menschen gehypt, unabhängig von ihrer Kunst. Denn so begann es, dass nicht mehr wichtig war, wer macht gute Musik, sondern wer ist der größte Gorilla im Käfig. Und so wurden Menschen dafür berühmt, dass sie sich strafbar gemacht haben und Mist gebaut haben, den sie heutzutage auch nicht wiederholen würden. Dennoch finden es alle toll.
Schlecht ist, wer Schlechtes tut, aber dafür hat man keinen Orden verdient, sondern Schellen.
Ich bin da ein ganz großer Feind von der Glorifizierung von Menschen, da es ja um die Musik geht und nicht um den Künstler. Und genau das sperrt Musik in einen Käfig, wie angesprochen und Musik darf nie in einem Käfig leben. Ohne dieses Phänomen wäre auch die Wertschätzung endlich wieder höher. Aber was der Zuschauer in unsere Optik hineininterpretiert, liegt ehe nicht in unserem Einfluss und das wollen wir auch nicht beeinflussen.
Inwiefern seht ihr Black Metal als ein Genre, das tiefe, spirituelle oder philosophische Botschaften transportieren kann? Wie integriert ihr solche Elemente in eure eigene künstlerische Vision?
Dies trifft doch schon eher den Kopf auf den Nagel. Das sehen wir sehr so und genau das versuchen wir auch mit unserer Musik. Black Metal ist für mich das emotionalste Musikgenre, das es je gab und dass es hier schon immer um Atmosphäre ging, ist wohl der Grund, warum Menschen Black Metal hören. Nun, wie integrieren wir solche Elemente? Ich denke auf die verschiedenste Art und Weise. Zum einen durch die musikalische und lyrische Gestaltung, was für den Hörer offensichtlich ist, aber eben auch, durch die Entstehung oder bei der Entstehung der Songs. Weil hier die verschiedensten Einflüsse auf einen einwirken. Seien es persönliche Impressionen, persönliche Definitionen oder einfach Erlebnisse, die einen geprägt haben. Und natürlich der eigene emotionale Umgang damit und wie man dies dann ausdrückt.
Dazu kommen noch sehr dunkle Thematiken, die die Menschheit schon immer fasziniert haben und die bisher unbeantwortet blieben. Dies macht die Musik auch zeitlos, aber es wird besonders interessant, wenn sie sich mit zentralen Themen wie Tod, Teufel, Psyche, Verzweiflung, Hass und Wut befasst. Diese Fragen möchten wir am liebsten beantwortet haben oder zumindest verstehen, wie wir damit umgehen können.
Je nachdem, ob uns etwas Philosophisches, Spirituelles oder Emotionales inspiriert, fließt dies in die Musik mit ein.
Gibt es bestimmte Tracks auf eurem Album „Singularity“, die euch besonders am Herzen liegen, sei es aufgrund ihrer Tiefe, ihrer persönlichen Bedeutung oder ihrer kreativen Komplexität?
Hahaha, ja, die gibt es und ich muss tatsächlich gestehen, das sind einfach alle Songs der Scheibe. Da wir diesmal das Songwriting wild aufgeteilt haben und jedes Mitglied mindestens einen persönlichen Song geschrieben und beigetragen hat, wurden hier auch sehr viele persönliche Dinge verarbeitet. Andere Songs haben Features, durch die man dann durch die befreundeten Musiker einen näheren Bezug hat. Die Komplexität auf diesem Album trägt sicher auch ihren Teil an vielen Stellen dazu bei. Aber alles in allem muss man jedoch sagen, dass wirklich jeder Musiker mit der gesamten Scheibe und jedem Song zufrieden ist und ihn hart abfeiert.
Ich glaube, wir sind alle sehr stolz, wie alles geworden ist, da sehr viele und verschiedene Einflüsse verarbeitet wurden, man jedoch immer noch den roten Faden und das Konzept des Albums nie aus dem Auge verliert. Das macht es schwer irgendwelche Favoriten festzulegen und wir würden alle sagen, das Album ist wie ein Song und der ist ein Hit für uns alle. Außerdem wurde diesmal die komplette Produktion in unsere Hände gelegt und wir waren nicht in einem Studio, sondern konnten alles zu Hause selbst aufnehmen und mixen.
Unser kreatives Genie an der Leadgitarre hat sich so in die Materie eingearbeitet, dass wir alles selbst stemmen konnten. Dafür ziehe ich meinen Hut vor ihm und wir alle haben höchsten Respekt in der Band davor.
Gibt es spezielle Songs in eurem allgemeinen Repertoire, die besonders für die Live-Aufführung geschrieben wurden oder die auf der Bühne eine besondere Wirkung entfalten?
Ich muss es aufteilen. Also, ich behaupte felsenfest, dass kein einziger Song mit dem Hintergedanken, das kommt so und so live besonders fett, geschrieben wurde. Ich denke, wir ziehen die Sache eher andersherum auf und sehen, was wir aus unseren Songs live am besten herausholen können. Aber es gibt Songs, die live natürlich eine besondere Note tragen und besonders ausdrucksstark sind oder performt werden können. Da fällt mir sowohl „Woods of Desolation“ ein, welches im letzten Teil einfach nur zu psychotischem, abgrundtief verzweifeltem, geisteskranken und entmenschlichtem Geschreie wird und jeder die Befreiung dahinter spüren kann. Ganz besonders natürlich, wenn es mal wieder zu dem schönen Erlebnis kommt, dass unser Featurekollege auf dem Song, Sven von Amimia, anwesend sein kann, um uns auf der Bühne zu unterstützen.
Aber auch, ein Song wie „Tachykardie“ der durch gut akzentuierte Elemente wie dem zum Liedtitel passenden Pulsschlag auffällt und so massiv heftig ballert. Vom ersten Album würde ich an der Stelle eventuell „Yule“ nennen, da er sehr eingängig ist und beim Pseudorefrain schon mitreißt. Es sind aber auch allgemeine Elemente bei den ruhigen Parts dabei, die durch Interaktion mit dem Publikum aufgewertet werden. Hier kommt einfach vieles zusammen, das am Ende zum Ergebnis führt. Hier ist zusätzlich aber auch die gesamte Show zu betrachten, da die Reihenfolge auch immer noch Auswirkungen auf das Live Erlebnis hat.
„The Anguished Odyssey“ würde mir noch einfallen, weil nach dem „Break“ im letzten Part einfach noch einmal mehr als gnadenlos, alles abrasiert wird, was nicht einbetoniert wurde und so einfach keine Gefangen gemacht werden, sondern man das Publikum übermannt und jeden mitreißt.
Wie denkt ihr, wird sich die Musikszene, insbesondere im Black Metal Genre, in den nächsten Jahren entwickeln?
Das ist schwierig zu sagen, da die gesamte Musikbranche sich die letzten Jahre stetig verändert hat. Sei es durch Streaming oder andere Modernisierungen oder gar durch Corona. Gerade diese knapp 3 Jahre werden noch länger Auswirkungen haben. Dies merkt man nach wie vor in der Veranstaltungsbranche bzw. allgemein die Live-Szene. Hier muss noch vieles wieder aufgearbeitet werden, da die Verteilung hier momentan noch komplett aus dem Ruder gelaufen ist und kein Gleichgewicht besteht. Als Resultat fällt die Scheiße dann mal wieder von oben nach unten und am Ende sind es die Ticketkäufer, die den Schaden tragen sollen. Dies geht auf Dauer aber nicht gut, besonders, wenn man dann auch noch von einer in die nächste Wirtschaftskrise rutscht.
Live auf der Bühne zu stehen, hat aber fundamentale Bedeutung für die gesamte Musikszene und deshalb auch einen großen Einfluss darauf.
Und im Black Metal gezielt? Nun gut, ich denke der Trend, dass die Facetten in der Branche zunehmen wird so fröhlich weitergehen, wie es sich die letzten 20 Jahre herauskristallisiert hat. Ansonsten ist Black Metal momentan im Allgemeinen denke ich ziemlich gehypt und hat eine Anhängerschaft, die größer denn je ist. Es ist eben einfach deutlich salonfähiger geworden, ist mein Eindruck. Andere Begleiterscheinungen werden immer wieder ein auf und ab haben im Black Metal, wie z.B. das extreme Politikthema. Aber das sehe ich eher als Spiegel der Gesellschaft, die immer nur im Zeitgeist lebt. Und solche Zeitgeist-Phänomene können auch komplett neu entstehen, komplett verschwinden.
Wie es wird? Man weiß es nicht. Aber das ist vielleicht auch gut so. So entsteht die beste Chance für Weiterentwicklung und Verbesserung. Aber die Einflüsse für all das sind nicht unbedingt vorhersehbar oder abschätzbar. Es wird immer X-Faktoren geben, die im individuellen Mix auf Musik oder einzelne Genres einwirken werden. Und diese sind endlos von den Möglichkeiten her.
Als kurzgefasste Prognose würde ich aber festhalten, dass ich denke, es werden neue Subgenres/Ideen umgesetzt werden und ich gehe davon aus, dass Black Metal im Allgemeinen noch weiter an Beliebtheit zunehmen wird. Dies hätte dann sicherlich auch schon wieder Einfluss auf die Live Branche, weil sich dann z.B. das Wacken Festival einmal überlegen müsste, mehr als Abbath an Black Metal Bands für ein Jahr buchen zu müssen und das Programm etwas anzugleichen.
Aber wir werden sehen, da ich denke, viel mehr wird nicht voraussagbar sein.
Das Interview wurde geführt von Mia Lada-Klein im Januar 2024
Foto/Credits: PHRENETICA Photography & Design
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